Benshausen

Die alte Braut

In Benshausen war ein junges Mädchen verlobt, aber sie war nicht glücklich, denn ihr Bräutigam war ihr nicht lieb, vielmehr ihr aufgedrungen worden; als nun Tag und Stunde der Trauung herbeigekommen waren, und es schon einmal in die Kirche geläutet hatte, und zum zweitenmale läutete, ging die Braut, bereits in ihrem Brautstaate, noch einmal allein hinaus in den Hausgarten, und sagte zu ihren Leuten, sie wolle nur ein wenig, bis es vollends ausläute, draußen frische Luft schöpfen der Grund war aber kein anderer als der, daß sie sich noch einmal recht ausweinen wollte, was sie auch that.

Mit einemmale sah sie einen fremden Mann, von sanften und milden Zügen, der fragte sie theilnehmend, was ihr denn fehle? Und da faßte sie gleich ein wunderbares Vertrauen zu dem Manne, und war ihr nun, als kenne sie ihn schon lange, er aber, um sie auf andere Gedanken zu bringen, fragte sie nach ihren Blumen, ließ diese und jene von ihr sich nennen, und dann öffnete er eine Thüre im Zaun, und ließ sie in seinen Garten treten, und da fiel ihr bei, daß der Mann ja ihr ganz nahe wohne, aber längere Zeit abwesend gewesen sei. Und in des Mannes Garten war es viel, viel schöner, wie in der Braut ihrem Garten, prächtige Blumen, herrliche Früchte, singende Vögel waren darin, und er erweiterte sich immer mehr, je länger sie in demselben an der Seite des Mannes wandelte, in den allerbesten, ihr Herz wunderbar erhebenden und belebenden Gesprächen.

Da hörte die Braut es zusammenschlagen, und ging nun zwar traurig und ernst, aber doch gefaßteren Gemüthes vor nach dem Hause, um mit dem ihrer harrenden Bräutigam und der ganzen Verwandtschaft nach der Kirche zu ziehen.
Wie sie aber in das Haus trat, erblickte sie ganz andere Leute, und von Aeltern und Geschwistern, von Bräutigam und Verwandten keine Seele, und die Leute schauten sie groß an in ihrem Putz, der diesen schrecklich altmodisch vorkam.

Niemand kannte sie und sie kannte niemand. Man brachte sie, die Wildfremde und scheinbar Geistesverwirrte, zum Pfarrer, der schlug im Kirchenbuche nach und fand, daß vor hundert Jahren eine Braut das Hochzeithaus kurz vor der Trauung verlassen habe, und nicht zurückgekehrt, auch nirgend zu finden gewesen sei.

Da sehnte sich die alte Braut zurück in den friedlichen Garten des Paradieses, darin sie mit dem Bräutigam reiner Seelen, Jesus Christus, gelustwandelt war, aller Erdenschmerzen überhoben, und ging auch noch desselben Tages ein in das himmlische Friedensreich.

Thüringer Sagenbuch. Coburg (Georg Sendelbach) 1858.

Die Brout en Garte

(Die Braut im Garten)

In Benzzause waer ag eimoil e Brout, abber se waer net (nicht) glöcklich, weil se örn Bräutigöm net gern hät, u der ir oufgedrounge waer. Als se nu en der Kerche gekopelirt sou wär, läuts zum erstemoil, u beimme zweitemoil Läute es se fix u fertig ohgezöh (angezogen), flennt (weint) un sprecht: ig well ner nog e beßle naus in Garte geehe u fresche Luft schöpf, u widder komm, banns (wenn es) zesommeschläit; abber kä Mensch, ag ör Bräutigöm net, dorft mitter. (durfte mit ihr)

Bi se in Garte ahgekomme waer, so heult se förchterlich übber örr Uglöck, u da stett mett eimoil e fremer Mo (fremder Mann) bei er, den se nog nie gesäie hat, un fräigt se öm irrn Kommer, u se sät en aues, bih's er öms Heerz waer.
Da trüst se der Mo u fängt o, u lobt örn Garte gar sehr un sprecht von diesen und jenn, öm ner de Brout off annere Gedahnke ze brenge, un se zeigt en aues en örn Garte. Nachdem säit der Mo, se soll eg eimoil mit en seinn Garte gäche un sech ömsäieh; sei Garte lag abber ganz darnabe (daneben) nahe örn, un doch hatten de Brout noch keimal gesäehe, wiwo (wiewohl) er gar sehr schüi waer.

Da waren auerhand schünne Blumme denn, Vögu (Vögel), die ihr noch keimal fürgekomme waren, pfefe denn, (pfiffen) Alee u Gartelab (Gartenlauben) gabs, Sprengbrönn u Beer auerlei Aert, aues gar sehr schüi u prächtig; dazu sprach der Mo, der er den Garte wehs (wieß, zeigte), gar sehr freundlich u ohgenahm mit er, bis of aimoil zesomme schlugk; da nohm der Mo höflich u fei züchtig Abschied zweche örn un sein Garte, un die junge Brout ging nu widder eus Haus zeröck, öm zer Kopelation met örn Bräutigöm en de Kerche ze ziehn.

Assa (Als sie) abber ens Haus kam, bleb er der Verstand stenn, denn da waren annere, ör ganz fremme Leut zegöh (zugegen) anners gekleidt, un von en Bräutigöm, un von Huizigäst, un von örn Geschwister, vo Vater un Moitter waer niß ze senn un ze höre. Nu forscht mer nag, un so fand sich's denn en Kerchebug, daß vor honnert Jarn emal e Brout vor dem Zesommeschlöinnn in den Garte gegange un nett widder gekomme waer.

Volkssagen von Ludwig Bechstein. Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes. 4 Bände. Hildburghausen (Kesselring) 1835-38.

Der verschüttete Bergmann

Auch um Benshausen gab es in früheren Zeiten ziemlich schwunghaften Bergbaubetrieb, und wohnten im Orte selbst auch Bergleute.

Ein Bergmann hatte sich vorgenommen, am Sonntage zum heiligen Abendmahl zu gehen, und ging daher am Sonnabende vor diesem Sonntage zur Beichte. Nun ist freilich die Regel, besonders auf dem Lande, nach Beichte und Absolution keinerlei Werkeltagsgeschäfte mehr vorzunehmen, um sich nicht dadurch von frommen Gedanken ablenken zu lassen.

Aber der Bergmann war sehr arm, und mochte den geringen Lohn eines Nachmittags nicht einbüßen, dachte, dem lieben Herrgott dürfe am Ende redlicher Fleiß wohlgefälliger sein, als müssiggängerisches Hände in den Schooß legen, ging daher wieder vor Ort an sein Tagewerk, und wollte noch schaffen bis zum Feierabend. Aber kaum war er hinab in den Schacht, so verschüttete sich die Grube, und zwar in solcher Weise, daß gar niemand wußte, wo sie zu Tage gegangen war.

Hundert Jahre darauf wurde auf demselbem Grundstück gemuthet und bergmännisch eingeschlagen, da stießen in der Teufe die arbeitenden Knappen auf alte verfallene Stollen, und fanden in einem solchen einen Bergmann sitzen, welcher zu schlafen schien. Alle entsetzten sich und glaubten einen Berggeist zu sehen, im Berghabit, mit langem eisgrauem Barte, doch überzeugten sie sich endlich, daß der Schlafende kein Geist war, denn er erwachte allmählig aus seinem Schlummer, und fragte: Hat es etwa schon zusammengeschlagen? und schien erschrocken, sich noch vor Ort zu finden. Ich habe nächten gebeichtet, und will heute zum Abendmahl gehen! fuhr der Alte fort, aber die Knappen verwunderten sich, und antworteten ihm: Heute wird kein Abendmahl gehalten, heute ist kein Sonntag und kein Kirchgang. Sie nahmen aber den seltsamen Alten mit aus der Grube, und führten ihn, weil er fest darauf bestand, nach der Kirche, ihrer einer aber lief, und holte den Pfarrer. Dieser reichte dem alten zitternden und todbleichen Bergmann das Mahl der Versöhnung, und wie er es empfangen hatte, sank er leise in sich zusammen, seine Kleider zerfielen in Staub und Mulm und sein Leib war ein Häuflein Asche.

Thüringer Sagenbuch. Coburg (Georg Sendelbach) 1858.

Von em Bergkmo

(Von einem Bergmann/Benshäuser Dialekt)

Bei Benzzause senn vor aue (alten) Zeite ag Bergklöcher gewast, un es senn Bergleut da dehemm (zu Hause) gewast. Von denne (diesen) ging emal enner an en Sonnabed zer Beicht, u denn Sonntig drauf wolle zum Abendmoihl gäehe.

Nu weiß mer abber von jeher, daß mer niß meh arbet sou (soll), bamme (wenn man) gebeicht hat, sonner me muß sei Gedoanke dahi richt u muß dehnk, bu me gewaßt iß. Der Bergkmo wott abber sei beßle Lueh (Lohn) nett verliehr, u fuhr doch nach der Beicht o. Abber e waer auererst (kaum) in die Grube nei, aus (als) mit aimail das Log verfällt und un begrabt, so daß ma von Bergklog niß meh hat gesäehe und net gewoßt hat, bus (wo es) gewahst waer.

Nag honnert (hundert) Jaeren komme un annere Bergkleut vonnere annere Grube hergegrabe u komme ag on die, die vor honnert Jaern versaue (verfallen) waer, u senne (sehen) en Bergmo doe lenn (liegen), der en lange große Bart hatt un thät, es banne (als wenn er) schlief. Se weckenen auff, u bi he die Auge uffschläet, so fräegt e gleich: obs schn zesammegschlöh hett, e mößt zum heilige Abendmoihl gäehe. De Annern säche (sagen) zu em, es eß kei Sonntig heut, sonnern Werkeltagk und kei Kerche, und da gett mer nett zum Abendmoihl. - Doch! sprecht he: nächte (gestern) bin ich en der Beicht gewast, u heut mues ig zum Abendmoihl gäehe. -

Se brengenen aus der Grube u nach sein Verlange en die Kerche un lasse den Pfarre ho (holen) un der gitten (giebt ihm) das heilige Abendmoihl, u bi ers empfange haet, da störzt e zesomme u is e Häuffle Aesche.

Volkssagen von Ludwig Bechstein. Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes. 4 Bände. Hildburghausen (Kesselring) 1835-38.