Oberhof

Teufelsbad und Teufelskreise


Aus der Goldlauter führen steile Waldpfade hinauf zum Forst- und Gasthaus zur Schmücke und zu dem dieser nahen Schneekopfgipfel, den jetzt ein steinerner Thurm als Lug ins Land ziert. Wie der Brocken des Harzwaldes, gilt der Schneekopf des Thüringerwldes der Sage als eine der Leibresidenzen des Meister Urian, denn er hat auf dieser Höhe sein Bad, was ihm auf dem Brocken mangelt, wo nur sein Brunnen quillt und seine Kanzel steht, auf der er vor 18 Jahren zum letztenmale gepredigt haben soll.

Das Teufelsbad ist ein Moortümpfel, so tief, wie der Schneekopf hoch ist. Wer da hinein fällt, kommt nie wieder heraus.

Einem Bergmann aus der Goldlauter begegnete eines Abends in der Dämmerung ein großer Reiter in einem feuerfarbenen Mantel, fragte nach dem Wege zum Schneekopf und nahm ihn zum Führer und Wegweiser an. Als er in die Nähe der Teufelskreise, welches weit und breit verrufene Sumpfstrecken sind, mit dem Bergmann kam, stieg er vom Rosse ab, hieß dasselbe dem Führer halten, und breitete seinen Mantel auf die Erde. Dann stieg er in die Sumpflache hinab und nahm zu seiner Erfrischung ein kaltes Bad; so wie er in den Sumpf stieg, zischte es und es wallten Dämpfe auf, als wenn ein glühendes Eisen in kaltem Wasser gelöscht würde.

Als sich der Rothmantel gehörig abgekühlt hatte, stieg er wieder aus dem Bade, und ließ sich sammt seinem Roß wieder auf die Straße geleiten, dabei gebot er dem Bergmann, er solle seinen Kober voll Laub pflücken und dieses mit nach Hause nehmen, das solle sein Führerlohn sein.

Innerlich unzufrieden, aber von Furcht überwältigt, that der Bergmann wie ihm geboten war, und wie er das abpflücken des Laubes vollendet hatte, so war sein Reiter verschwunden.

Daheim wartete die Frau mit Scheltworten statt mit der Abendsuppe auf, daß er so spät heim komme, und da sie statt etwas mitgebrachtem an Eßwerk nur das Laub im Kober fand, wurde das häusliche Gewitter gar schwer und drohte mit einschlagen. Das Laub schüttete die erzürnte Frau gleich zum Fenster hinaus auf den Mist.

Am andern Morgen that sie ihrem Manne, da er wieder an die Arbeit gehen mußte, ein Stück Brod in den Kober, da hingen noch einige Blättchen von dem Laub im Korbgeflechte, und schimmerten so schön grüngoldig, und waren eitel Dukatengold.

Jetzt war es an der Zeit, daß der Mann aufbegehrte, gleich solle die Frau gehen und das weggeworfene Laub wieder holen. Sie eilte schon aus eigenem Antrieb danach, es war aber draußen kein Laub mehr vorhanden, wohl aber in ihres Mannes Hand ein dürrer Stecken - o weh!

Thüringer Sagenbuch. Coburg (Georg Sendelbach) 1858.

Der Jägerstein

Eine Strecke unter den Teufelskreisen auf dem Schneekopf, an denen es niemals geheuer ist, und wo es die Reisenden schon oft geneckt, irre und in bodenlose Sümpfe geführt hat, steht ein Denkstein mit einer alten jetzt kaum noch lesbaren Inschrift zum Gedächtniß einer Unglücksthat, welche die Sage des Volks zu einer zauberischen Verblendung umgewandelt hat.

Ihr zufolge lebte zu Gräfenrode, am jenseitigen Fuße des Schneekopfs, nach Arnstadt zu, ein Förster, der hatte einen Jägerburschen, mit welchem er in Unfrieden lebte, und den er daher auf mancherlei Weise tückte und ärgerte. So gab er ihm, der noch dazu sein Vetter war, den Auftrag, einen Feisthirsch zu schießen, der seinen Stand im Schneekopfreviere hatte, und dort herum wechselte und sich sehen ließ, das war ein prächtiger Hirsch von sechzehn Enden oder noch darüber.

Aber der Jägerbursche, der Caspar hieß, vermochte nie den Hirsch zu schießen, obschon er denselben oft ganz nahe sah und schußgerecht vor sich hatte; entweder versagte sein Gewehr oder der Schuß ging fehl, und der Hirsch ging gemachsam seiner Wege, sah sich auch wohl noch einmal nach dem Jäger um, und machte ihm mit dem stattlichen Geweih eine Reverenz.

Kam nun der Caspar Abends nach Hause, und hatte den Hirsch nicht geschossen, so regnete es Spott- und Stichel- und Stachelreden - was für ein geschickter und jagdgerechter Schütze er sei, und die Hirsche würden ihm demnächst eine Dankadresse dafür überreichen, daß er sie so menschen- und hirschefreundlich zugleich behandle, und sie schone, und ob vielleicht seine Büchse nicht mehr töde? Da solle er doch einen Feuermolch oder Unk hinein laden, und dergleichen - und das alles wurmte den Caspar sehr, ging daher zu einem alten Jäger, der bewährt war in Jägerkünsten, guten und schlimmen, und klagte diesem Miß- und Ungeschick.

Der alte Jäger schüttelte den Kopf und sagte: Dir soll bald geholfen werden. Gehe morgen in aller Frühe nach Gehlberg in die Glashütte; nimm Deine Kugelform mit, und forme Dir eine Kugel aus reiner Glasmasse. Auf alle Fälle hat Dir ein Feind einen Weidmann gesetzt, aber das Glas widersteht allem Zauber und allem Bösen, deswegen können sich auch der Teufel und die Hexen nicht im Spiegel sehen. Mit dieser Kugel, die Du stillschweigend in Deine Büchse laden mußt, schieße Du nur in Gottes Namen auf den Hirsch.

Caspar befolgte diesen einleuchtenden Rath, ging Abends abermals wegen dem Hirsch auf den Anstand, und brauchte gar nicht erst zu warten, so kam der kapitale Bursche und äsete sich, und schaute sich um. Ein Blitz - ein Ruf: in Gottes Namen! und da brach der Hirsch zusammen, und freudig eilte Caspar zu ihm hin, ihm den Genickfang zu geben, falls er nicht völlig gut dahin getroffen haben sollte, wohin er gehalten, nämlich nach dem Kopfe.

Aber o Schreck - da lag kein Kapitalhirsch - da lag mausetod der Prinzipal und Vetter, der sich durch böse Weidmannspraktiken selbst in den Hirsch verwandelt hatte. So hatte er seinen Lohn dahin.

In das Kirchenbuch zu Gräfenrode wurde aber der Unglücksfall folgendermaßen eingetragen:
" A. 1690, den 16. Septbr. ist der Fürstl. Sächs. Forst-Knecht, Herr Joh. Valentin Grahow, Abends nach 4 Uhr von seinem Vetter Caspar, der ein Jäger-Bursch war, im Walde am Schneekopf, in Verblendung einer Hirschgestalt, an den Schlaf durch den Kopf geschossen worden, da Knall und Fall eins gewesen."

Thüringer Sagenbuch. Coburg (Georg Sendelbach) 1858.