Geschichte der Museen

Um 1900 war man im damaligen Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha bestrebt, neben den großen herzoglichen Sammlungen in der Residenzstadt, verstärkt auch Volkskundliches zusammenzutragen. Dieses Vorhaben wurde wohl auch deshalb forciert, weil die Trachten mehr und mehr aus dem kleinstädtischen, aber auch schon aus dem dörflichen Bild schwanden. Um hier zu bewahren, was noch zu bewahren war, zielte man auf die Einrichtung eines Volkstrachtenmuseums. Dieses sollte auf der Wachsenburg bei Haarhausen angesiedelt werden.

Hierzu verfassten im Jahre 1901 auch die damaligen Zellaer bzw. Mehliser Pfarrer Thielemann und Dr. Gildemeister Aufrufe an die Einwohner ihrer Städte. Sie animierten die Mitbürger, in ihren Truhen und Schränken nach Trachten und Trachtenteilen Ausschau zu halten und diese möglichst dem genannten Museum zur Verfügung zu stellen.

Schließlich sind damals auch die bürgerlichen Familien ganz direkt angesprochen worden, indem man sie zum Anlegen von Chroniken und Ahnentafeln und damit zum Festhalten der Familiengeschichte anregte.

Was bis dahin jedoch weitgehend unberücksichtigt blieb, war die Darstellung von Ortsgeschichte der Kleinstädte und Dörfer.

Das betraf auch die Orte Zella St. Blasii und Mehlis, zumal es sich bei ihnen um Städte mit einer aus wirtschaftlicher Sicht überregionaler Bedeutung und einer Jahrhunderte währenden Tradition des Handwerks, vornehmlich der Waffenfertigung, handelte.

Den Gedanken griff damals der Bürgermeister von Zella St. Blasii, Otto Barthelmes auf, der im Jahr 1907 zur Gründung einer „Heimathalle“ aufrief. Er selbst verfasste Aufrufe zum Sammeln an die Einwohner und schrieb viele Briefe an ehemalige Zellaer, die im Ausland in exponierter Stellung beruflich tätig waren. Er bat hierbei um Geschenke bzw. Leihgaben von Geschichtszeugnissen, die geeignet waren, die Entwicklung der Waffenfertigung zu dokumentieren. Auf diese Art und Weise entstand nach und nach ein Fundus an Waffen, Werkzeugen, Fotos, Gemälden und Dokumenten, der nach knapp zwei Jahren einen beträchtlichen Umfang erreichte. Für die Sammlung wurden städtischerseits Räume der ehemaligen Fachschule in der Forstgasse 2 zur Verfügung gestellt. Hier wurde schließlich auch am 27. Juni 1909 das Ortsmuseum der Stadt Zella St. Blasii eröffnet.


Fachschule 1903, Forstgasse 2 (heute Pfarramt)

Auch in der Stadt Mehlis gab es ein Ortsmuseum. In der Kaiserschule (heute Kinder- und Jugendfreizeittreff) wurde eine Sammlung des Gewerbevereins Mehlis zusammengetragen. Als Gründungsdatum für dieses Museum steht der 18. Dezember 1910. Nicht bekannt ist, inwieweit dieses Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und wie lange es sich in diesem Gebäude befand.


Kaiserschule 1912 (später Hugo-Jacobi-Schule, heute Freizeittreff)

Für das Ortsmuseum Zella St. Blasii ebbte das Interesse durch die Wirren des Ersten Weltkrieges ab. Die Sammlung wurde 1918 infolge der damals herrschenden Wohnungsnot auf den Dachboden der Luther-Schule ausgelagert. Da diese Schule aber gleichzeitig auch als Jugendherberge genutzt wurde, wird berichtet, dass auf diesem Weg wohl viele Stücke als „Andenken in alle Lande“ mitgingen. 1919 wurde dann ein Teil dieser Sammlung dem Fundus der Mehliser Kaiserschule zugeordnet und somit sichergestellt. Andere Exponate konnten noch Jahre später im Heizungskeller der Luther-Schule vom damaligen Direktor und Heimatforscher Eugen König vor einer Verwendung als Heizmaterial gerettet werden.

Am 1. April 1919 wurden die beiden Einzelorte zur Stadt Zella-Mehlis vereint. Die ersten gemeinsamen Jahre waren gekennzeichnet durch die Nachwirkungen des Krieges und die Inflation, die die Entwicklung der jungen Doppelstadt behinderten. Dieser Umstand wirkte sich natürlich ebenso wenig förderlich auf die Sammlungen der beiden ehemaligen Ortsmuseen aus. Sie waren zu diesem Zeitpunkt arg dezimiert und darüber hinaus in ungeeigneter Weise magaziniert.

Als eine der ersten großen und sicher auch demonstrativ auf die gemeinsame Zukunft der beiden ehemaligen Einzelorte gerichteten Maßnahmen beschloss der Stadtrat den Bau eines Rathauses, welcher 1924 bis 1925 erfolgte. Für den Sitz der Stadtverwaltung der seiner Zeit kreisfreien Stadt Zella-Mehlis erschien den Stadtverantwortlichen unter Oberbürgermeister Hans Gerhard offensichtlich die wirksame Darstellung der Geschichte und Gegenwart mit der Einrichtung eines dort integrierten Ortsmuseums als wichtig. So wurden bei der Rathauseinweihung 1925 auch zwei Museumsräume mit übergeben, die aufgrund des immer größer werdenden Fundus bis 1928 noch um zwei weitere Räume erweitert werden mussten.


Zella-Mehlis mit Rathaus und Ruppberg

Neben der waffengeschichtlichen Abteilung, die übrigens von dem Direktor der Thüringer Beschußanstalt Zella-Mehlis, Paul Weiß, geleitet wurde, keimte Anfang der 1930er Jahre auch der Gedanke der Gründung eines Heimatmuseums bzw. eines stadtgeschichtlichen Bereiches im Rathaus.

Der Realisierung dieses Vorhabens kam jedoch offensichtlich die NSDAP mit den ihr untergeordneten Dienststellen zuvor, die sich mit dem Jahr 1933 im Rathaus zusehends ausbreiteten, und auch auf die vier Museumsräume spekulierten. Auf diese Art und Weise wurde Anfang 1934 das Ortsmuseum aus dem Rathaus verdrängt.

Als Auslagerungsort wurde die Hügelschule in der Bahnhofstraße 10 auserkoren. In diesem, zuvor ganz als Berufsschule genutzten Gebäude, stand nun die erste Etage zur Verfügung. Hier wurde das Waffen- und Kleineisenmuseum am 2. September 1934 in vier Räumen mit drei Abteilungen wiedereröffnet.

Die Abteilung Waffenmuseum wurde wiederum vom Beschußdirektor Paul Weiß betreut. Einer Neugestaltung unterzog Berufsschuldirektor Becher die Abteilung Industrie- und Handwerksausstellung. Als Grundstock dafür diente die Sammlung des damals bereits aufgelösten Gewerbevereins Mehlis. Auch eine Abteilung Heimatmuseum wurde nun eingerichtet und von Hermann Barthelmes, dem Sohn des ehemaligen Zellaer Bürgermeisters, geleitet.

Das Ansehen, welches das Waffen- und Kleineisenmuseum Ende der 1930er Jahre genoss, dokumentierten z. B. auch Rundfunk- und Filmaufnahmen, die damals in dieser Einrichtung aufgezeichnet wurden. Leider blieben die Nachforschungen nach diesem Bild- und Tonmaterial bisher ohne Erfolg.

Das Museum war auch noch in den ersten Jahren des Krieges arbeitsfähig und bis mindestens 1941 wurden regelmäßige Öffnungszeiten ermöglicht.

Über die folgenden Jahre hüllt sich jedoch ein dunkler Schleier. Die umfangreiche Waffensammlung und andere wesentliche Teile des Fundus gelten spätestens seit Kriegsende als verschollen. Wie andere Häuser in Deutschland litt auch unser Museum unter den Folgen des Krieges.

Nach einer gewissen Beruhigung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Nachkriegszeit, vor allem aber nach der Sicherung der grundlegenden Existenzbedingungen, drehten sich die Gedanken auch bald wieder um das Museum.

Schon 1948 stand das Thema wieder auf der Tagesordnung einer Stadtratssitzung. Ein Beschluss wurde gefasst, ohne jedoch umgesetzt zu werden. 1951 unternahm der damalige „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ einen erneuten Vorstoß ‒ auch diesmal ohne Erfolg. Erst 1957 nahm die Neugründung eines Museums durch einen weiteren Stadtverordnetenbeschluss konkrete Gestalt an.

Mitte des Jahres 1958 wurde nun der spärliche Restfundus des alten Waffen- und Kleineisenmuseums aus der Hügelschule in ein nahes Firmengebäude umgelagert und ein Jahr später erfolgte die erneute Verlagerung in ein Gebäude am Mehliser Markt. Dieses war ein Wohn- und Geschäftshaus, welches sich im Besitz von Frau Marie Schmidt, besser bekannt als „Kaspers Marie“, befand. Sie war es, die ihr Anwesen in uneigennütziger Weise 1960 der Stadt Zella-Mehlis zum Geschenk machte ‒ letztlich zur Einrichtung eines Museums. Nach und nach hatte sich auch ein recht fester Stamm von Enthusiasten zusammengefunden, die hier gute Gedanken zur Tat werden ließen. Am 7. Oktober 1963 war dann der große Tag der Eröffnung des Heimatmuseums Zella-Mehlis in den ehemaligen Wohn- und Geschäftsräumen in der ersten Etage.

Heimatmuseum
Das Heimatmuseum am Mehliser Markt (um 1990)

Waren schon seit zehn Jahren in Freizeitarbeit viele erhaltenswerte Sachzeugen der Geschichte in und um Zella-Mehlis zusammengetragen worden, mussten jetzt zusätzlich noch die Öffnungszeiten abgesichert werden. Niemand weiß heute, wie viele Stunden und welche finanziellen Mittel auch aus Privathand in diese städtische Einrichtung investiert wurden. Fest steht jedoch, dass hierdurch Kulturgut im großen Umfang gesammelt und damit vor seiner Vernichtung gerettet wurde.

Später kamen zwei weitere Räume in der oberen Etage und der Giebel als Ausstellungsfläche hinzu. In den Jahren 1978 bis 1981 wurde die Scheune, durch die damalige „Arbeitsgemeinschaft Heimatmuseum im Kulturbund der DDR“, der zu diesem Zeitpunkt auch eine recht große Anzahl Jugendlicher angehörten, ausgebaut. Einen weiteren Blickfang stellte die anlässlich des 2. Zella-Mehliser Stadtfestes im September 1991 eröffnete Kleineisenwerkstatt dar. Hier konnte man sich einen besonders deutlichen Eindruck von der Arbeitswelt der Zeit um 1900 verschaffen.

Ein wesentlicher Meilenstein wurde für unser Heimatmuseum noch zur Vorwendezeit im Jahr 1987 gesetzt. Erstmals war diese Einrichtung unter eine hauptamtliche Leitung gestellt worden. Damit wurde der bis dahin ehrenamtliche Leiter Werner Ansorg, der das Haus während seiner langjährigen Tätigkeit als unermüdlicher Organisator und beliebter Museumsführer mit zu einem weithin bekannten Aushängeschild für unsere Stadt machte, durch Lothar Schreier abgelöst. Durch diesen Schritt konnte nun auch eine neue Qualität von Museumsarbeit Einzug halten und die wissenschaftliche Aufarbeitung des Fundus sowie die Umgestaltung des Ausstellungsbereiches konnten beginnen. Erst hiermit wurde durch die Verbindung der vier tragenden Säulen eines Museums ‒ dem Sammeln und dem Bewahren, dem Forschen und dem Ausstellen ‒ wirklich umfassende Museumsarbeit ermöglicht.

Aufgrund des akuten Platzmangels und der räumlichen Bedingungen war das Heimatmuseum nur in der Lage, ca. 20 % des Bestandes in den Ausstellungen zu zeigen. Sehr wesentliche Bestandteile des Fundus befanden sich in verschiedenen Depots in Zella-Mehlis und konnten somit nicht ausgestellt werden.

Seit der Wendezeit (1989/90) gab es die Idee, in dem Gebäude der ehemaligen Herzoglich-sächsischen Beschußanstalt Zella-Mehlis ein Stadtmuseum einzurichten. Der Gedanke, in dieses herausragende Baudenkmal der Stadt Zella-Mehlis eine museale Nutzung einzubringen, war naheliegend und logisch. So vermochte man damit, sowohl das denkmalgeschützte Gebäude einer sinnvollen Nutzung zuzuführen und gleichzeitig den permanenten Platzmangel im vorhandenen Museum zu verringern. Auch ist die ehemalige Beschußanstalt der repräsentativste bauliche Zeuge der weit zurückreichenden Geschichte der Waffenfertigung in Zella und Mehlis. Was lag also näher, als in dieses Zella-Mehliser Industriegeschichte verkörperndes Baudenkmal ein diese Industriegeschichte darstellendes, technikorientiertes Museum zu integrieren.

Daher wurde eine Museumsentwicklungskonzeption erarbeitet, welche von der Stadtverordnetenversammlung im März 1992 zum Beschluss erhoben wurde. Diese Konzeption bezog sich auf die Objekte der ehemaligen Beschußanstalt in der Anspelstraße 25 (Stadtmuseum) und auf die Gesenkschmiede im Lubenbachtal (Technikmuseum).

Doch wesentliche Faktoren sprachen zunächst gegen einen solchen Schritt. Zum einen gab es Rückübertragungsansprüche, welchen auch stattgegeben wurde und die das Objekt der Beschußanstalt in Privathand führten. Noch schwerwiegender jedoch war der bauliche Zustand und die erkennbar hohen Aufwendungen und Kosten einer baulichen Sanierung. Dies machte die Entscheidung für einen Erwerb, die Sanierung und die Einrichtung eines Museums ungemein schwer, ja fast unmöglich.

Zustand 1997
Zustand 1997

Glücklicherweise gab es viele Menschen in der Stadt, die sich durch diese Schwierigkeiten und die scheinbare Unwirtschaftlichkeit dieser Idee nicht abschrecken ließen und das Ziel des Museums in der Beschußanstalt weiter verfolgten. Zu diesem Personenkreis gehörten viele geschichtsinteressierte Bürger der Stadt, die Kulturverantwortlichen der Stadtverwaltung, die Mitglieder des Geschichts- und Museumsvereins, einige Stadträte und vor allem auch der damalige Bürgermeister unserer Stadt, Karl-Uwe Panse. Obwohl die genannten Probleme sich nicht verringerten, führte dies dazu, dass im Jahr 1997 durch den Bürgermeister und die Stadträte die mutige und weitsichtige Entscheidung für den Ankauf, die Sanierung und den Umbau der Beschußanstalt zum künftigen Museum getroffen wurde. Bis heute zeigt sich, dass diese Entscheidung ein großer Gewinn für das Stadtbild und die Attraktivität der Stadt und wirtschaftlich ein Gewinn für einheimische Handwerker und die Stadt war.

Die Baumaßnahmen an der Beschußanstalt wurden 1998 begonnen. Insgesamt investierte die Stadt Zella-Mehlis in die Bauleistungen und Baunebenleistungen ca. 4.000.000,00 DM!

An der Sanierung und dem Umbau haben 39 Bauunternehmen, Handwerker, Restauratoren und Planungsbüros gearbeitet. Davon kamen 10 Firmen aus Zella-Mehlis und weitere 21 Betriebe aus Südthüringen. Nur zwei der ausführenden Unternehmen hatten Ihren Sitz nicht im Freistaat Thüringen. Somit blieb der überwiegende Teil des investierten Geldes in unserer Stadt und ihrer Umgebung.

Zustand heute
Zustand nach der Sanierung

Die Investition der Stadt Zella-Mehlis in diese Baumaßnahme wurde von verschiedenen Einrichtungen und Institutionen unterstützt, welche einen erheblichen Teil der Gesamtsumme ausmachte. Das waren u. a. Städtebaufördermittel der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Thüringen zur Stadtsanierung, Mittel der Bundesanstalt für Arbeit über Vergabe-ABM, des Landkreises Schmalkalden-Meiningen, des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Während der industriellen Nutzung des Gebäudeensembles von 1940 bis 1990 fand eine sehr starke Verschmutzung von Innen- und Außenbereichen mit Ölen und Schmierstoffen statt. Zu Beginn der Sanierungsarbeiten mussten die betroffenen Bauteile und Bereiche dekontaminiert werden. Es wurden 1994 bis 1990 auch Anbauten neu geschaffen und Teile der historischen Bausubstanz entfernt, was nun wieder rückgängig gemacht werden musste. Nachdem die Gebäude seit 1990 leer gestanden hatten, wurden sie bis zur Sicherung im Jahr 1997 wiederholt von randalierenden nächtlichen Besuchern heimgesucht, welche Müll und zerstörte Einrichtungen hinterließen. Viele Bauteile waren nicht mehr gebrauchs- und sanierungsfähig. Auch die neue Nutzung als Museum machte einige Veränderungen im Gebäudekomplex notwendig. Der Ersatz von nicht sanierungsfähigen Bauteilen, die Wiederherstellung der ursprünglichen, historischen Gebäudesubstanz und die künftige Nutzung als Museum erforderten eine Vielzahl von Bauleistungen. Noch während der Sanierung wurde mit der Planung und Umsetzung der Dauerausstellungen begonnen und ab 2002 konnten die ersten Ausstellungsbereiche zur Stadtgeschichte, Geologie und Bergbau zugänglich gemacht werden. In den darauffolgenden zwei Jahren wurde die gesamte Dauerausstellung fertiggestellt und 2004 erstmals vollständig der Öffentlichkeit präsentiert.